Gesund mit oder trotz Zucker – ein Faktencheck – Teil l: Süße Energieversorgung

von Katharina Meyer

In diesem Teil klären wir, was unser Körper mit dem süßen Zeug eigentlich alles anstellen kann – oder andersherum. Die wohldosierte Portion Biochemie „light“ kann ich Euch daher nicht ganz ersparen. Aber es ist eigentlich auch ganz spannend zu verstehen, wie Zucker und unsere Fettzellen zusammenarbeiten, so dass wir Fett auf- oder abbauen – Basiswissen für jede Ernährungsumstellung vor der Fragestellung was am Ende dicker macht, Fett oder Zucker. Außerdem schauen wir einmal genauer auf die konsumierten Zuckermengen in Deutschland. Achtung, hier mit akuter Überzuckerungsgefahr!

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Biochemie light einer komplexen Energieversorgung

Wie bereits erwähnt sind Kohlenhydrate der Sammelbegriff für alle genannten Zuckerarten und werden in die folgenden Kategorien eingeteilt:

  • Einfachzucker: Monosaccharide bestehend aus Glukose (Traubenzucker), Fruktose, Galaktose (Schleimzucker)
  • Zweifachzucker: Disaccharide bestehend aus Saccharose (Haushaltszucker), Maltose, Laktose (Milchzucker)
  • Komplexe Kohlenhydrate (Ballaststoffe):
    • Verdauliche Mehrfachzucker (Polysaccharide): Sie bilden die Gruppe der Ballaststoffe in Form von Stärke und Glykogen
    • Unverdauliche Mehrfachzucker: Zu ihnen gehören Ballaststoffe in Form von Zellulose, Pektin oder der resistenten Stärke. Im Unterschied zu den anderen Zuckerformen schmecken sie nicht süß.

Brennstoffquelle Zucker

Für die Ernährung ist der Traubenzucker als Einfachzucker mengenmäßig das bedeutendste Kohlenhydrat. Er dient in Glukoseform allen Zellen zur Energiegewinnung. Gehirn, Nieren und rote Blutkörperchen sind dabei zur Energiedeckung von der Glukoseform abhängig, da sie weder komplexere Zuckerformen noch Fettsäuren als direkte Energielieferanten anzapfen können. Alle Zuckerformen werden am Ende des Zuckerstoffwechsels also immer zu Einfachzuckern zerlegt, da nur diese Form schnell zur Energieversorgung in den Zellen genutzt werden kann. Endprodukt ist Glukose – unter bestimmten Stoffwechselbedingungen auch Maltose und Laktose, auf die wir hier aus Vereinfachungsgründen nicht weiter eingehen.1

Wie im vorherigen Teil bereits erwähnt, wird bei Bedarf die verfügbare Glukose mit Hilfe hormoneller Ampelschaltungen über die Amygdala und den Hypothalamus immer erst zum Gehirn transportiert, um hier eine ständige Versorgung zu gewährleisten. Muskeln und Organe werden nachrangig versorgt.

Exkurs: Zuckerformen in Lebensmitteln

In ihrem natürlichen Zustand kommen die unterschiedlichen Kohlenhydratgruppen vor allem in folgenden Lebensmitteln:

Einfachzucker (Monosaccharide)

  • Traubenzucker (Glukose): Bestandteil von Haushaltszucker, Honig, Früchte
  • Fruchtzucker (Fruktose): Früchte, Honig, ebenfalls Bestandteil von Haushaltszucker
  • Schleimzucker (Galaktose): Bestandteil von Laktose (Milchzucker, wird bei der Verdauung freigesetzt) 

Zweifachzucker (Disaccharide)

  • Zweifachzucker (Disaccharide) 
  • Rohr- und Rübenzucker (Saccharose, Haushaltszucker): Zuckerrüben, Früchte, Zuckerrohr
  • Malzucker (Maltose): Keime (entstehen bei der Stärkeverdauung im Organismus) 
  • Milchzucker (Laktose): Milchprodukte

Vielfachzucker (Polysaccharide)

Zu den verdaulichen Kohlehydraten zählen Stärke und Glykogen. Stärke stellt das Speicherkohlenhydrat der Pflanzen dar. Glykogen ist die Speicherform im menschlichen oder tierischen Organismus.

Zu den nicht verdaulichen Kohlehydrate gehören:

  • Zellulose: Sie dient als Gerüst von Kartoffeln, Getreide Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten aber auch von Holz und Baumwolle.
  • Pektin: Es ist als wasserlösliche Gerüstsubstanz in Beeren, Kernobst und unreifem Obst. Pektine binden Gallensäuren und senken den Gehalt des „schlechten“ Cholesterins LDL (Low Density Lipoprotein). In der Küche ist es ideal zum Marmelade einkochen, weil Pektine Gelee bilden.
  • Guarkernmehl und Johannisbrotkernmehl: Sie werden als natürliches Verdickungsmittel vorwiegend bei der Lebensmittelzubereitung eingesetzt.
  • Resistente Stärke: Diese etwas energieärmere Form entsteht auf natürliche Weise, wenn stärkehaltige Lebensmittel nach dem Erhitzen abgekühlt werden (z.B. in Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Brotkrusten).2 Mehr zu diesem Ballaststoff, der in Industrieprodukten auch auch als neue „Abnehmwaffe“ gehandelt wird, gibt es in Teil lll.

Energiebunkerei oder wenn Zucker zu Fett wird

Nur etwa 1 Prozent der Körpermasse sind Kohlenhydrate. Ca. 300 Gramm ergeben Bestandteile in Körpersubstanzen, weitere 450 Gramm dienen als schnelle Energiereserve für Muskulatur und Leber:

  • Muskel-Glykogen wird ausschließlich zur schnellen Energiegewinnung bei Muskelaktivität benötigt. Es kann nicht in Glukose zurückgewandelt und für andere Organe zur Verfügung gestellt werden. Die Speicherkapazität der Muskeln insgesamt beträgt bis zu 300 Gramm Glykogen. 
  • Leber-Glykogen erhält hauptsächlich den Blutzuckerspiegels aufrecht. Durch erneute Umwandlung in Glukose steht es in Ausnahmefällen auch für weiteren Energiebedarf bereit. Die Speicherkapazität der Leber beträgt allerdings nur bis zu 150 Gramm Glykogen.

Die überschüssigen Kohlehydrate aus der Nahrung werden in der Leber durch Zwischenstufen in Fettsäuren umgebaut. Ein Teil davon wird direkt in der Leber gespeichert, der Rest geht zurück ins Blut und gelangt zu den weiteren Fettdepots im Körper. Dieser Prozess heißt Lipogenese, oder einfacher erklärt: Aus nicht benötigtem Zucker wird am Ende Fett (vgl. Tschepe-Neumann, 2013).

Gretchenfrage: Zucker oder Fett, was macht dicker? 

Grundsätzlich gilt, dass jeder energieliefernde Nährstoff, der den individuellen Energiebedarf übersteigt, am Ende des Prozesses im Fettgewebe landet. Nach Jahren der Fettverteufelung, die mit der zweifelhaften Sieben-Länder-Studie in den 60er Jahren begann, werden nun in den letzten Jahren vor allem die Kohlenhydrate als eigentliche Dickmacher verfolgt. Hmmm, auf jeden Trend folgt der Gegentrend … ?! Mehr zum Umgang mit Studien und deren Bewertung im Kontext von Ernährung gibt es in einem eigenen Artikel.

Betrachten wir es daher einfach nur mal rein energetisch: Fettatome sind so effektiv aufgebaut, dass ein Fettmolekül deutlich mehr Energie bündeln kann. Fett hat per se eine doppelt so hohe Energiedichte (9,3 kcal/g) im Vergleich zu den Kohlenhydraten (4,1 kcal/g). Wie beschrieben muss Zucker erst weiter umgebaut werden, um am Ende als Fett im Depot zu landen. Zu einem geringen Teil geht übrigens während dieser sogenannten nahrungsinduzierten Thermogenese bereits schon wieder ein bißchen Energie verloren. Reine Fettsäuren können dagegen direkt ins Fettgewebe eingespeist werden. Damit sind sie auch hier energetisch also effektiver als Zucker.

Kohlenhydrate daher als direkte Dickmacher zu bewerten ist zumindest aus biochemischer Sicht nicht korrekt und trifft, wenn man überhaupt so argumentieren möchte, vielmehr für die Fette zu. Ein wissenschaftlicher Review aus vielen Ernährungsstudien kommt zu dem Ergebnis, dass Fett im Vergleich zu Zucker sogar ein stärkerer Stimmulator für ein bestimmtes Enzym ist, das als GIP-Hormon in der Körpergewichtsregulation eine bedeutende Rolle spielen soll.3

Fettschmelze oder wenn aus Fett wieder Zucker wird

Wenn der Glukosespiegel im Blut aufgrund von Kohlenhydratmangel sinkt, stellt der Stoffwechsel ebenfalls mit Hilfe eines Hormons , dem Glukagon, auf Speicherabbau um: Zunächst aus den Glykagon-Reserven in der Leber und danach aus den anderen Fettdepots im Körper. Hier erfolgt die Rolle rückwärts aus biochemischer Betrachtung: Das zugeführte Fett aus der Nahrung oder den Fettdepots muss bei Energiebedarf erst in Glukose umgebaut werden, um als Energielieferant zur Verfügung zu stehen. Das Fett in den Zellen wird dafür zunächst wieder in Fettsäuren (Lipolyse) zerlegt und zur Leber geschleust. Aus diesen Fettsäuren (Glyzerin) entsteht in der Leber neue Glukose, die zurück ins Blut geschossen und zu den Muskeln und Organen abtransportiert wird.

Wenn zu wenig Energie in den Kurzzeitspeichern verfügbar ist, als der Körper für seinen Einsatz gerade benötigt, wird gemäß der kalorischen Gleichung das Körperfett zur sogenannten Fettsäurensynthese angezapft … und bei einem andauerndem Defizit schmelzen langsam die Fettpölsterchen.

Ketonkörperbildung im Hungerstoffwechsel

Bei anhaltendem Energiemangel über mehrere Tage – wie beispielsweise beim Fasten – findet nur noch ein unvollständiger Abbau im Fettstoffwechsel statt und es entstehen sogenannte Ketonkörper. Sie sind vor allem für das Gehirn überlebenswichtig und stellen die einzige alternative Energiequelle bei akutem Glukosemangel im Blut dar. 

Die Bildung von Ketonen als Energielieferant werden in ketogenen Ernährungsansätzen gezielt durch eine stark reduzierte kohlenhydratarme Ernährung forciert (vgl. Biesalski, 2020):

In Keto-Konzepten wird folgende Verteilung der Makronährstoffe empfohlen:

  • Fünf Prozent Kohlenhydrate (ca. 30 – 50 Gramm)
  • 70 bis 80 Prozent Fett
  • 20 – 25 Prozent Eiweiß

Zur besseren Einordnung dieser Verhältnisse: Die DGE rät zu satten 200 Gramm Kohlenhydraten bzw. 5 g pro kg Körpergewicht für einen normalen Erwachsenen täglich (bei 2.000 kcal Grundumsatz). 

Keto-Fans berichten von Vorteilen wie weniger Heißhungerattacken und einem verbesserten Energiestand durch eine Stoffwechselentlastung für den Körper aufgrund eines konstanteren Blutzuckerspiegels. Ob sich damit tatsächlich eine effektivere und langfristige Gewichtsabnahme im Vergleich zu anderen Diätkonzepten einstellt, ist wissenschaftlich noch nicht hinreichend belegt. Aber manchmal hilft ja bereits das gute Gefühl in einer Ernährungsumstellung, um Pfunde zu versetzen … 

Good to know: Keto-Diäten werden aufgrund ihrer entzündungshemmenden Auswirkungen auch im Rahmen von Krebstherapien erforscht und natürlich vielfach diskutiert: Die Entdeckung des sogenannten „Warburg-Effektes“ führte zu der Annahme, dass eine reduzierte Aufnahme von Glukose Krebszellen „aushungern“ könnte. Vor diesem Hintergrund kommt daher auch immer wieder die Diskussion auf, inwieweit Zuckerkonsum mit der Entstehung verschiedener Krebsarten in Verbindung steht. Einige Tierexperimente haben hier positive Ergebnisse gezeigt. Bislang fehlen allerdings Studienbelege am Menschen.4

Ups, Mundgeruch

Bei der Ketonkörperbildung entsteht unter anderem Aceton. Ein Grund, weshalb Fastende häufig den Nagellack typischen Mundgeruch erleben. Ein anderer Grund für schlechten Atem sind aber oft auch anaeroben Bakterien, die im Mund unter Sauerstoffausschluss gedeihen können, wenn zu viel Zucker konsumiert wird. Vorsichtig sollte man in solchen Fällen mit entsprechenden Produkten wie Mundwassern oder Spray umgehen, die den Geruch schnell und effektiv beseitigen sollen. Ebenso wie im Darm besteht auch die Mundflora aus einer komplexen Bakterienvielfalt mit guten und schlechten Bakterien. Mundspülungen töten in den meisten Fällen die vollständige Bakterienlandschaft ab und greifen unter Umständen auch die Mundschleimhaut an. Gesünder ist es daher die Mundflora zu stärken, um das Wachstum der förderlichen Bakterien zu stärken, so dass die schlechten zurückgedrängt werden. Hier hilft für eine Zeit auf Zucker zu verzichten oder ihn durch zahnfreundliche Varianten Isomaltose, Stevia oder Xylit zu ersetzen.

Soweit der erste Teil der Zuckerserie. Ich hoffe, Ihr bleibt weiter dran! Im nächsten Teil nehmen wir um unseren Lebensstil vor dem Hintergrund möglicher Risikofaktoren durch Zuckerkonsum genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei geht es um ein Grundverständnis unseres Energiehaushaltes und den häufigsten Zivilisationskrankheiten. Am Ende klären wir unser „Suchtpotenzial“ für die vermeintliche Volksdroge Nummer #1.

Empfehlungen für weiterführende Literatur zum Thema

So dick war die Menschheit noch nie, ZEIT online, April 2016, entnommen 11.04.2021

Sugar: The bitter truth – Robert H. Lustig, MD, UCSF Professor of Pediatrics in the Division of Endocrinology, 2009

The Big Fat Surprise – Nina Teicholz, Journalistin/Autorin, 2014

FAQ Resistente Stärke  – Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FETeV) für Professionalität in der Ernährungsberatung, Oktober 2018 

Weniger ist mehr – Zucker, Fette und Salz reduzieren – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft – BMEL (2020)

DONALD-Studie – Analyse von Wechselwirkungen zwischen Ernährung, Stoffwechsel, Entwicklung und Wachstum bei gesunden Kindern, Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften (IEL) der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland. Journal of Health Monitoring – Journal of Health Monitoring 2018 des RKI

Literaturverzeichnis

1 – Tschepe-Neumann, Annette (2013): Grundlagen der Ernährungslehre (Teil 1) – Studienheft, S. 7 ff.

2 – Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (2020): FAQ Resistente Stärke, entnommen 01.04.2021

3 – Biesalski, Hans Konrad (2020): Taschenatlas Ernährung, S. 68, Thieme, 8. Auflage, Stuttgart

4 – Khan TA, Sievenpiper JL.: Controversies about sugars: results from systematic reviews and meta-analyses on obesity, cardiometabolic disease and diabetes. Eur J Nutr. 2016 Nov;55 (Suppl 2):25-43. doi: 10.1007/s00394-016-1345-3. Epub 2016 Nov 30. PMID: 27900447; PMCID: PMC5174149.

Katharina Meyer

Hallo Ernährungsfan, hier schreibt Katharina, leidenschaftliche Ernährungsberaterin und systemischer Coach mit der Mission, die Welt noch ein wenig gesünder zu machen. Falls Dir die Blog-Kostproben noch nicht ausreichen, melden!
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